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Manifesta 10

In St. Petersburg

Joseph Beuys: Wirtschaftswerte (Economic Values), 1980

Joseph Beuys: Wirtschaftswerte (Economic Values), 1980

Thomas Hirschhorn: Abschlag, 2014

Thomas Hirschhorn: Abschlag, 2014

Vladislav Efimov: Wildlife Corner, 2014

Vladislav Efimov: Wildlife Corner, 2014

Manifesta 10

Manifesta 10

Um diese Wanderbiennale besuchen zu können, müssen westliche Grenzen hinter sich gelassen werden. Sankt Petersburg richtet diesmal bis 31. Oktober die zehnte Manifesta aus. Das Kunstfestival - mit Sitz in Amsterdam - zieht weder Grenzen zwischen, noch klassifiziert sie Kunst, sondern wagt eine Gratwanderung zwischen östlicher und westlicher Kultur. Der Kurator Kasper König (geb. 1943, D) folgt auf seine Weise dem Wagnis, indem er routiniert und souverän seine Lieblinge der zeitgenössischen westlichen Kunst einem St. Petersburger Publikum präsentiert. Er würdigt russische Künstlerinnen und Künstler mit Werken, indem er sie der westlichen gegenüberstellt. Ist sein Konzept geglückt? Haben es Russen notwendig sich belehren zu lassen? Nein, hier geht es um eine Verbeugung vor rund 4,9 Millionen westlich denkenden Einwohnern von St. Petersburg.

König interveniert in einem der besten Museen der Welt unserer sogg. Hochkultur: Es ist die Eremitage, die Exponate der Manifesta an wenigen Plätzen der mehr als 350 Sälen, während der Dauer der Biennale aufnimmt. Werke von Gerhard Richter, Katharina Fritsch und Lousie Bourgeois, um nur drei zu nennen, präsentieren sich nackt und vielleicht verloren in einer geschichtsträchtigen Umgebung. Die vergleichsweise jungen Kunstwerke möchten von den alten Meistern ablenken und Raum für neue Aspekte schaffen. Die Regale, voll mit vergammelten Lebensmitteln aus der aufgelösten DDR, von Joseph Beuys "Wirtschaftswerte" lassen glauben, dass sie einfach von Museumsmitarbeitern vor Jahrzehnten vergessen worden sind. Der Witz mit diesem Beuys ist vielleicht dem Kaspar König gelungen aber ist in Wirklichkeit von Beuys auch so gewollt, wie aus dem Manifesta-Katalog zu erfahren ist.

Wem das zuviel war, der begibt sich über den Palastplatz an der Alexandersäule vorbei in das Generalstabsgebäude. Hier erwartet einem eine kompakte Ausstellung mit Werken unter vielen anderen von Maia Lassnig, Otto Zitko, Wolfgang Tillmans und Timur Novikov. Sämtliche Werke der Ausstellunge gliedern sich wie eine Perlenkette aneinander. Im Innenhof ist die Installation "Abschlag" von Thomas Hirschhorn zu sehen. Diese reicht zwei Stockwerke hoch und stellt ein altes eingestüztes Wohnhaus dar. Man sieht eingerichtete Räume mit (echten!) Werken alter Meister aus der Eremitage. Hirschhorns Statement ist nicht schwer als ein Abgesang an verkommene Traditionen und als Mahnung verlorener Werte zugunsten einer radikalen Erneuerung zu verstehen.

Die Manifesta 10 bietet aber noch mehr zeitgenössische Kunst und Kultur. Die Biennale ist ein Festival, das an öffentlichen Plätzen Kunst präsentiert, Kinofilme ("Unlooped") und Konzerte programmiert (im Oktober spielt beispielsweise Ragnar Kjartansson im Konzertsaal der Vitebsk Station). Galerien beteiligen sich ebenfalls mit Ausstellungen an dem Kunstreigen.

Nebst allem was Rang und Namen hat, wird vielleicht ein zweites Programm übersehen, das sich besonders dem Nachwuchs russischer Künstlerinnen und Künstler widmet. Es bezeichnet sich interdisziplinär als "Parallel Events" und findet an vierzig Orten statt. Eine gute Übersicht über junge aktuelle Kunst wird im Menschikow-Palast geboten. Unbedingt sehen!

Teilnehmende Künstler
Pawel Althamer, Francis Alÿs, Guy Ben-Ner, Joseph Beuys, Karla Black, Louise Bourgeois, Pavel Braila, Marc Camille Chaimowicz, Jordi Colomer, Josef Dabernig, Lado Darakhvelidze, Rineke Dijkstra, Marlene Dumas, Nicole Eisenman, Lara Favaretto, Vadim Fishkin, Katharina Fritsch, Dominique Gonzalez-Foerster, Thomas Hirschhorn, Ann Veronica Janssens, Alevtina Kakhidze, Ragnar Kjartansson, Elena Kovylina, Natasha Kraevskaya, Maria Lassnig, Klara Liden, Erik van Lieshout, Henri Matisse, Boris Mikhailov, Vladislav Mamyshev-Monroe, Yasumasa Morimura, Olivier Mosset, Juan Muñoz, Deimantas Narkevičius, Bruce Nauman, Tatzu Nishi, Kristina Norman, Timur Novikov, Henrik Olesen, Ilya Orlov, Pavel Pepperstein, Susan Philipsz, Giovanni Battista Piranesi, Alexandra Pirici, Paola Pivi, Gerhard Richter, Wael Shawky, Cindy Sherman, Slavs and Tatars, Alexandra Sukhareva, Wolfgang Tillmans, Joëlle Tuerlinckx, Otto Zitko

 

Eröffnung
27. Juni 2014

Dauer
28. Juni bis 31. Oktober 2014

Leitender Kurator
Kasper König

 

Ausstellungsort
Eremitage (St. Petersburg), Generalstabsgebäude und zahlreiche Venues

Öffnungszeiten
Montag bis Samstag von 10:30 bis 18 Uhr
Sonntag von 10:30 bis 17 Uhr
Montags geschlossen.

Erreichbarkeit
U-Bahn-Stationen: Admiralteyskaya, Nevsky Prospekt, Gostiny Dvor
O-Buslinien: 1, 7, 10, 11
Buslinien: 7, 10, 24

 

Zur Einstimmung auf die Manifesta 10 hat die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena die Manifesta-Kataloge und die Manifesta Journale 1-12 ab dem Jahr 1996 online gestellt. Link zur Bibliothek...

Credits

Abbildungen oben:

  • © Andreas Herok