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Franz Amann

Die Farbe ändert nichts an der Funktion

Franz Amann. Courtesy: Galerie Emanuel Layr.

Franz Amann: Zweizylinder. Courtesy: Galerie Emanuel Layr

Eröffnung
Dienstag, 18. Oktober 18h

Ausstellungsdauer
19 Oktober bis 12 November 2011

 

Amanns den ganzen Weg nach unten!
Miras Ropot

Auf dem Erdboden wirst Du stolpern.(1)

Eine mit niemandem geteilte Welt ist keine. Kunst ist eine großzügige Tätigkeit. Es braucht Geduld und die Unterbrechung unserer Vorurteile und Kenntnisse um ihre Ambitionen zu verstehen. Es nimmt auch Zeit in Anspruch zu sehen, wie es Franz Amann gelingt ein Bild herzustellen. Immer auch ein Bild von dem Eigensinn und der Verausgabung die er investiert - in die Sehnsucht und das Angebot seine Welt zu teilen. Er baut einmal mehr an einem Leben des Bildermachers, erfindet sich als Maler neu und verschleiert an keiner Stelle die Endlichkeit, Profanität und Heiterkeit einer solchen Aktivität. Sein Werk weckt die Lust den Begriff der Wahrheit wieder mal nahe ans Unternehmen Kunst zu führen. Stünde es mir zu, ich würde ihm die Gründung eines Realismus von erschütternder Ordnung unterstellen.

Es gibt die Anekdote über die alte Dame, die einem Wissenschaftler widerspricht: In ihrer Version ist die Welt flach und ruht auf dem Rücken einer Schildkröte. Ihre überzeugende Antwort auf den Einwand, dass auch die Schildkröte ein Fundament haben muss: Es sind Schildkröten den ganzen Weg nach unten.(2)

Am Gipfel seiner Werke ist Franz Amann Maler. Mit der Schlauheit seiner Empfindungen organisiert er eine relativ flache Welt (Malerei). Er zeigt aber immer auch die scheinbar endlose Reihe von unterstützenden Aspekten und Kräften einer solchen Welt (zuletzt wunderbar arrangierte Bruchstücke eines Atelier-Lebens). Als Realist hält er sich dabei treu an Konstrukte, die das stets zu korrigierende Verständnis von Wirklichkeit dirigieren. Er erarbeitet das große Potential der Kunst: zu zeigen wie sehr eine jede Wirklichkeit stets Ergebnis dieser konstruierten Verständnisse ist. Er strebt dabei nach einem Maximum an Wahrscheinlichkeit in den Resultaten seiner Anstrengungen - seinem Werk.(3) Ich habe Lust das Bild von der Säule der sich tragenden Schildkröten zu bemühen, da ich mich vom Künstler geführt sah, entlang den Ereignissen und Fragmenten eines letztlich Ganzen: Es sind Amanns den ganzen Weg nach unten!

Schreiben ist Kämpfen gegen das Gefühl: ein jedes Bild sei falsch. Entlang einer Säule von Werken hinabsteigen…ist falsch wegen einer naiven Vorstellung des Raums. Wir könnten unterstellen, dass Amanns Arbeit auch darauf zielt: das jeweils „Falsche“ im Sehen der doch wahrscheinlichen, vorgestellten und gebauten Wirklichkeiten (jene Irre, in die die Worte uns gerne führen). Er urteilt nicht. Seine Leinwände sind selten rechteckig oder quadratisch. Sie bersten förmlich in ihrem Kampf um eine Ganzheit als Bild und gegen eine vereinfachende Reduzierung ins Symbolische. Tränen. Sterne. Katzen. In Momenten reduzierten Aufwands: ein Handtuch. Ein Besen. Diese Konstellationen sind hybrid und bastardisch. Und dann gibt es Farbe. Mit der Farbe – so schlage ich vor - manipuliert Amann letztlich, in recht ökonomischer Manier, seine eigenen Lösungen. Wir können nicht nur fühlen sondern verstehen wie hier eine Hand an der Arbeit ist, mehr noch ein wissendes Auge, und was noch? Es ereignet sich eines dieser tieferen Verständnisse, die uns lächeln machen: ja, diese Pinselstriche sind mit einer Absicht gemacht…ah, MalerInnen malen. Wir sollten allerdings nicht zu triumphalisch überzeugt sein, den ganzen Willen dieser (flachen?) Welt aufgeklärt zu haben. Wir sollten nicht versäumen, dass hier auch Undurchsichtigkeiten und Anrufungen gefeiert werden. Es ist notwendig zu schreiben: diese Bilder „passieren“ auch außerhalb ihrer Rahmen, in der Leere, den Zwischenräumen (den manchmal geschundenen Fasern einer Welt). Sockelartige Teile erinnern an Akte der Dressur,(4) einen Prozess der Zähmung (wenn eine Richtung auszumachen wäre). Oder besser: diese Bilder befinden sich in einer Unentschiedenheit zwischen Fall und Aufstieg, sie schweben. So bleiben sie verbunden mit einem wohl da gewesenen Körper, auch Raum (Atelier, Stadt, etc.). Amann zeigt uns Manifestationen der Unruhe und Entschiedenheit einer Person, die imstande ist die Stimmung der Welt (der einen) -auch ihrer Zeit – auszudrücken.

Wir leben auf schwankenden Grund unter einem leeren Himmel. Überraschenderweise: es wird uns doch eine auch schöne Welt gezeigt. Malen findet bei Amann auch in Gespräch und Spaziergang statt. Er kennt die Grausamkeit der Dinge, ihre Tücke, aber auch ihre Dankbarkeit. Er vermag es – als Künstler – die Dinge lebendig zu machen, sie zum Sprechen zu bringen.(5) Wir können die Sternenbilder lesen, wir konnten in den Organen geöffneter Körper lesen. Wir lesen die Bewegungen der Tanzenden. Amann arbeitet nicht spontan, er zeigt die Schönheit und Fragilität des Einstudierten und Wohlüberlegten. Er ist einer der das Seil auch herstellt, und nicht nur darauf tanzt. Eine Säule tanzender Schildkröten? Aber nein. Eine Gefühl für die Aristokratie des einfachen Lebens. Nijinski hatte die Antwort auf die Frage, ob es schwierig sei, in der Luft frei zu schweben:

Nein, nein. Nicht schwierig. Man muß nur hochspringen und oben ein bißchen warten.(6)


1) Jean Genet, The Tightrope Walker

2) Stephen Hawking, A Brief History of Time

3) Roman Jakobsons, On Realism in Art

4) Ursula Maria Probst, Je suis Amann - Der Maler als Dompteur. See also Charles Fourier's expectation of co-operative labour, that would ensure “four moons would illuminate the earthly night, the ice would recede from the poles, sea water would no longer taste salty, and beasts of prey would do man's bidding.”

5) Jean Genet, op. cit

6) Richard Buckle, Nijinsky

 

Galerie Emanuel Layr
An der Hülben 2
1010 Wien

+43 1 524 54 90

Credits

Abbildungen oben:

  • © Andreas Herok